Bericht

New York-Gefühle

The Obsessions gewannen das Blue Note mit intelligentem Rock.

Das CBGB's in New Yorks Bowery ist zu, es lebe das Blue Note in Dresdens Neustadt! Wenngleich Joe und James Carnwath in den USA lediglich geboren wurden, jedoch in England bzw. Deutschland aufwuchsen, Drummer Wolff Reichert gar von Geburt und Wohnort Deutscher ist, umgibt ihre Band The Obsessions mehr als ein Hauch vom Big-Apple-Avantgarde-Rock der glorreichen, späten 70-er Jahre, als Television und Talking Heads in jenem kleinen, lang gezogenen Club der Welt zeigten, dass Intellektualität und mitreißende Rhythmen sich keinesfalls ausschließen müssen. Eine Quintessenz, die eben auch im kleinen Blue Note lebt. Und mit The Obsessions einmal wieder sehr gut auflebte.

Da wechseln sich Sprechgesang und hochgepeitschter Rock ab. James Carnwarth greift und drischt den Kontrabass, Wolff Reichert legt satt und voll den Drum-Teppich, die Brüder singen schließlich wunderbar melodiös zweistimmig zu einem durchaus filigranen Ineinandergreifen von Joes Gitarre und dem Bass. Wenn es einmal nur sanft plätschert, dann trügerisch: "Don't let me let you down, don't let me slip away" singt Joe zu einer reinen Pop-Melodie. "Collateral Damage" meint dagegen, was es sagt. Zwar überzeugt James an der Trompete nicht wirklich, Joes Sprechgesang entfaltet jedoch große Suggestivkraft.

Hart-witzig kommt "The Killer in His Eyes" daher, in dem es vernichtend heißt: "I love you but you're boring." Joe bezieht sich auf Elvis Costello, der nie Liebeslieder ohne "Schlupfloch" geschrieben habe, und nennt ihr eigenes "Back to the Rain" einen "Lovesong for pessimists". Und Costello kommt einem auch bei dem schnellen, smarten Stück in den Sinn. Es gibt wenige, die zugleich intellektuell, romantisch und witzig sein können. Elvis Costello kann es. The Obsessions können es auch. Das ist hintergründig und zeitlos, das ist so etwas wie ewige Avantgarde.

Erst nach der Pause erfahren wir, dass fast alles, was die Band im ersten Set vorstellte, auf der neuen, im Mai erscheinenden CD sein wird. In der zweiten Hälfte präsentieren die drei Songs der letzten beiden Scheiben - die in der Summe ein wenig melodischer erscheinen. Da meint man, im Gesang Reminiszenzen an alte Girl-Groups zu hören, da denkt man auch mal an Coldplay - aber an Coldplay mit Biss, da genießt man immer wieder das Durchdachte, aber niemals Verkopfte.

James singt solo zur akustischen Gitarre die nachdenkliche Ballade "If you could see me now", und obwohl es zu den schwächeren Momenten des Konzerts gehört, lauscht die Menge geradezu andächtig. Nach den ausgefeilten Klängen wirkt es vor allem sehr ehrlich und mutig, dieses Zurückfahren auf eine Stimme, die Gitarre und einen ehrlichen Text.

Der "Funky Reggae Stew" scheucht dann alle wieder auf, der energiegeladene Cocktail aus bewährten Musiktraditionen entwickelt hypnotische Kräfte. Der Reggae wird vom Rock überholt, der vom Surf-Rock stehen gelassen und der schlussendliche Punk rotzt frech in die Runde. Wie gesagt: NY, CBGB's.

Und wer in einem Song "Supermodels" eine originelle Liebeserklärung an ein "ordinary girl" macht, dem gehört sowieso die Welt ...

Beate Baum

Quelle: DNN, April 2009